Autorengrußwort zur Lesung mit Petra Gerster und Christian Nürnberger

Er war ein kleiner Mönch aus der mitteldeutschen Provinz. Und doch hat dieser Nobody die damals herrschenden Supermächte – Kaiser und Papst – in ihren Grundfesten erschüttert. Wie konnte das geschehen? Er hat an den Teufel, die Hölle, an Dämonen und Hexen geglaubt und Kopernikus für einen Dummkopf gehalten. Was soll so ein vorvorgestriger Kerl einem modernen Menschen von heute noch zu sagen haben?

Er lebte in ständiger Angst vor der fürchterlichen Strafe Gottes für seine Sünden. Seine Frage war: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

Unsere Frage lautet eher: Gibt es Gott überhaupt? – falls sich nicht auch diese Frage schon längst für uns erledigt hat. 

Er aber fand auf seine Frage eine Antwort, ein neues Bild von Gott, das dem amtlichen der Kirche fundamental widersprach und dann die Welt mindestens so sehr verändert hat wie das neue Weltbild des Kopernikus. Und es hat seinen Entdecker zum Reformator reifen lassen, zum Gründer einer neuen Kirche, Bibelübersetzer, Schöpfer der deutschen Sprache, Schriftsteller, Bestseller-Autor und zusammen mit seiner Frau, Katharina von Bora, Gründer der Institution des evangelischen Pfarrhauses.

Andererseits: War er nicht ein Vollantisemit, Bauernschlächter, Kriegstreiber und Sexist? Sollten wir ihn daher nicht eher hassen als ihn feiern? 

Um diese widersprüchliche Gestalt namens Martin Luther soll es gehen bei unserer Lesung in Engen. Wir freuen uns schon darauf.

 

Herzlichst

Petra Gerster und Christian Nürnberger